Wofür steht Sun?
Sun steht für Durchsetzungskraft und ein lebendiges, vorwärtsdrängendes Wachstum aus unserem Inneren heraus. Kraftvoll, ohne Zögern und Zweifeln. Strategisch, unerbittlich, unaufhaltsam. Wie der Wind, der durch jede Ritze und in jeden Winkel dringt.
Unaufhaltsam, aber ohne rohe Gewalt. Sondern sanft, fast zärtlich…
In der Literatur zur TCM gibt es für das Phänomen eines derartig vorwärtsdrängenden Wachstums ein schönes Bild: Der linde Lufthauch des Frühlings, der die Pflanzenwelt durchströmt, der Erneuerung bringt und die Erde mit Grün kleidet. Plötzlich, unerwartet, überraschend. Wie ein Orchester, das auf ein einziges, unsichtbares Zeichen hin gleichzeitig zum Spiel anhebt.
Der Keim entfaltet sich in der äußeren Welt
Soweit die Außenperspektive. Wenn wir dieses Geschehen aus der Innenperspektive untersuchen, können wir etwas interessantes feststellen: Es geschieht nichts Neues. Das, was sich da manifestiert, war im Kern, in der Grundstruktur, längst vorgezeichnet. Die Bewegung war vorgezeichnet, sie entfaltet sich lediglich jetzt in der Welt draußen, sie wird sichtbar. Aber sie existierte bereits vorher, als Gedanke, als Idee, als Plan. Die Pflanzen des Frühlings wachsen lediglich den Formen entgegen, die in ihrem Kern, in ihrem Keim, bereits angelegt waren.
Die Verbindung zum eigenen Inneren als Dreh- und Angelpunkt
Die Verbindung zum Kern ist also der Dreh- und Angelpunkt. Je klarer die Verbindung zu diesem Kern ist, umso stabiler und kraftvoller kann sich der Wachstumsprozess vollziehen. Doch worin besteht dieser Kern, wenn wir das Bild auf uns, auf menschliche Wesen, übertragen? Wenn wir uns das Zeichen Sun ansehen, entdecken wir dort an der Wurzel eine Yin-Linie (unterste Linie des Zeichens). Und diese verweist auf Kun, die Erde, bzw. auf das Erlauschen der Impulse aus unserem Inneren.
Es ist der Impuls aus unserem Inneren, der bewirkt, dass wir uns in uns selbst verwurzeln. Der unser vorwärtsdrängendes Wachstum in Sun trägt. Der uns auf unserem Weg Orientierung gibt. Der uns hilft, wenn wir in der Interaktion mit der äußeren Welt Entscheidungen treffen müssen. Und der uns mit anderen Menschen Gemeinschaft finden lässt – denn wir können erst dann zum Teil der Gemeinschaft werden, wenn wir unserem inneren Wesen entsprechend in der Welt existieren.
In der Reihenfolge des späteren Himmels wird Sun dem Funktionskreis Leber (Le) zugeordnet. Verschiedene Beschreibungen aus den Klassikern der Traditionellen Chinesischen Medizin illustrieren die Eigenschaften und besonderen Fähigkeiten des Funktionskreises: Wandlungsphase Holz: Leber
Dem Weg der Wandlungen folgen: Meine Verwurzelung spüren
Im Modell Dem Weg der Wandlungen folgen gehört Sun zu den dynamischen Wegmarken. Bei Sun verdichtet und intensiviert sich die Bewegung: Auf die Yang Linie , die im vorangegangen Zeichen einen neuen Impuls setzte (Li bzw. Gen), folgt nun bei Sun eine zweite Yang Linie, die die neue Tendenz verstärkt.
Fragen im Sinne einer Selbsterkundung könnten folgendermaßen lauten:
- Wo stehe ich? Wohin will ich?
- Spüre ich meine Verbindung, den Impuls aus meinem Inneren? Folge ich ihm?
- Wo stehen die anderen? Wohin wollen sie?
- Gemeinsam … wie schaffen wir das? Gibt es Berührungspunkte, gemeinsame Vorstellungen?
Woraus entwickelt sich Sun?
Innerhalb eines Hexagramms entwickelt sich Sun entweder aus Li oder aus Gen (Ausnahme: das Hexagramm beginnt mit Sun / Sun ist unteres Trigramm). Rote Pfeile deuten an, dass den vorangegangenen Zeichen oben jeweils eine (durchgezogene) Yang-Linie hinzugefügt wird. Yang steht für Tatkraft, für Aktivität. Unerbittliches Vorwärtsdrängen ist yanghaft, aktiv.
Sun entwickelt sich aus Li, das Feuer
Li, das Feuer, ist unsere Entscheidungsinstanz, die das Zuträgliche vom Abträglichen trennt. Sobald wir Klarheit darüber haben, was genau wir erreichen wollen bzw. wo unser Ziel liegt, können wir aufbrechen (Sun, der Wind / Baum) um – auch gegen etwaige Widerstände – genau dieses Ziel zu erreichen.
Beispiele für Hexagramme, bei denen sich Sun aus Li heraus entwickelt, finden Sie → hier.
Sun entwickelt sich aus Gen, der Berg
Gen, der Berg, steht für unsere Fähigkeit, loszulassen und uns damit von unnötigem Ballast zu befreien. Mit Gen konzentrieren wir unsere Kräfte und spannen die wir Sehne es Bogens. Bis schließlich Sun, unser Pfeil, kraftvoll losschnellt: unaufhaltsam, unerbittlich, auf unser Ziel zu.
Beispiele für Hexagramme, bei denen sich Sun aus Gen heraus entwickelt, finden Sie → hier.
Wohin entwickelt sich Sun?
Innerhalb eines Trigramms entwickelt sich Sun entweder zu Qian oder zu Dui (Ausnahme: das Hexagramm endet mit Sun / Sun ist oberes Trigramm).
Sun entwickelt sich zu Dui, der See
Dui, der See, entsteht, indem oben eine (durchbrochene) Yin-Linie angefügt wird (dunkler Pfeil; Yin symbolisiert Empfänglichkeit). Das kraftvolle, gleichmäßiges Wachstum (Sun) aus unserem Inneren heraus, begegnet in Dui der äußeren Welt. Das, was sich bisher tief in uns geborgen entwickelt hat, nimmt nun Kontakt auf und wird für alle sichtbar. Es berührt die Umwelt und erzeugt… Widerhall.
Beispiele für Hexagramme, bei denen sich Sun zu Dui entwickelt, finden Sie → hier.
Sun entwickelt sich zu Qian, der Himmel
Qian, der Himmel, entsteht, indem oben eine (durchgezogene) Yang-Linie angefügt wird (roter Pfeil; Yang symbolisiert Tatkraft, Aktivität). Sun ist kraftvolles Vorwärtsdrängen aus dem eigenen Inneren heraus: selbstgewiss, unaufhaltsam, unerbittlich, einem unsichtbaren, ureigenen, perfekten Weg folgend. In Qian erreicht dieses Wachstum seine höchste Ausprägung: unser klares und kohärentes Selbst, unsere wahre Natur.
Beispiele für Hexagramme, bei denen sich Sun zu Qian entwickelt, finden Sie → hier.
Referenz
Wandlungsphase (Element): Holz
Funktionskreis: Leber (Le)
Moderne Deutung
Durchsetzungskraft; Denken, Planen, Handeln; geistige Fähigkeiten; Einsicht
Traditionelle Deutung
Sanft und eindringend: gute Verwurzelung und Ausdehnung nach oben; nur scheinbar sanft: unerbittlich; Ausgleich von Innen und Außen, Verbindung von Himmel und Erde
Richtung: unten
Interpretation: Organisches Wachstum im Einklang mit den Rhythmen der Natur; der Wind / Baum dringt langsam aber stetig vorwärts und gelangt in seiner Sanftheit überall hin; harmonische Wendung nach außen; als inneres Zeichen möglicherweise Tendenz eines zu großen Hinabziehens in die Tiefe