Kan, das Wasser

Wofür steht Kan?

Kan steht für unser Urvertrauen und unsere unbewussten Ressourcen. Und damit für eben jenen Urgrund, in dem wir als handelnde und unsere Welt gestaltende Wesen wurzeln.

Das Herausfordernde an diesem Sachverhalt ist, dass dieser – unser! – Urgrund Anteile enthält, die unserem bewussten Zugriff entzogen sind. Denn wie der Name schon andeutet, liegen unbewussten Inhalte jenseits unseres Tagesbewusstseins. Inhaltlich kann es sich bei den unbewussten Anteilen unseres Wesens um eigene Erfahrungen und Informationen handeln, manchmal jedoch gibt es auch fremde, ggf. sogar transgenerationale Inhalte.

Damit dringen aus Kan also Impulse und Inspirationen zu uns und führen uns zu Entscheidungen und Handlungen, ohne dass wir genau verstehen und bewusst einordnen können, woher sie eigentlich kommen – und warum.

Impulse und Inspirationen aus dem Unbewussten

Vielleicht liegt hier der Grund, warum viele Interpretationen zum I Ging Kan als negativ und gefährlich einstufen: Kan hat eine Eigendynamik, die unser Intellekt überhaupt nicht und wenn, höchstens bruchstückhaft kontrollieren kann. Möglicherweise wurzelt das negative Urteil zu Kan genau darin: Im Wunsch, das Unbewusste zu kontrollieren. Das ist aber nicht möglich.

Löst man sich jedoch davon, unbewusste Inhalte durch das Tagesbewusstsein kontrollieren zu wollen, akzeptiert man also das Unbewusste in seiner Qualität, uns nicht bewusst zu sein, dann kann Kan zu einer wertvollen Ressource werden. Denn oft, wenn wir unserem Bauchgefühl und unserer Inspiration einfach folgen, bekommen unsere Handlungen eine ganz besondere Qualität: Sie fühlen sich auf einzigartige Weise richtig und stimmig an.

Unser Unbewusstes prägt unsere Welterfahrung

Tatsächlich verbirgt sich in Kan noch ein weiterer, interessanter Aspekt: Nämlich die Erfahrung, wie sehr unser eigener Urgrund, unser Unbewusstes, unseren Eindruck von der Welt prägt. Ja, es stimmt: Im Außen begegnet mir meine Umwelt, also eine Welt, die scheinbar getrennt von mir ist. Tatsächlich ist aber das, was ich sehe, was mir entgegentritt, ist in hohem Maße von meiner eigenen inneren Gestimmtheit beeinflusst. Ich sehe die Welt, die mir begegnet, gewissermaßen durch die Brille meines eigenen Unbewussten. Meine Brille, die auf meiner Nase sitzt.
Was passiert, wenn ich diese Brille bemerke?

In der Reihenfolge des späteren Himmels gehört Kan dem Funktionskreis Niere (Ni) (ggf. auch Blase) an. Der Funktionskreis Niere verweist in der Traditionellen Chinesischen Medizin u.a. auch auf unsere Vorfahren. Dies erklärt möglicherweise, warum manche Inhalte unseres Unbewussten viele Generationen zurückreichen können. Passende Zitate zur Vertiefung des hier Gesagten sind auf der Seite Wandlungsphase Wasser zu finden.

Dem Weg der Wandlungen folgen: Was passiert wirklich?

Im Modell Dem Weg der Wandlungen folgen repräsentiert Kan einen der beiden Prüfpunkte. Ein Prüfpunkt ist ein Kipppunkt, an dem eine Bewegung abrupt seine Richtung wechselt und dessen Dynamik möglicherweise schwer zu kontrollieren ist. Im Sinne des Modells wechselt der Fokus bei Kan vom Selbstverhältnis zum Weltverhältnis und es zeigt sich, wie weit die innere Integration bereits entwickelt und gereift ist.

Die Fragen im Sinne einer Selbsterkundung könnten beispielsweise lauten:

  • Urvertrauen oder Urangst – wer sitzt hier eigentlich bei mir am Steuer (oder: in meinem Nacken)?
  • Hat meine aktuelle Gefühlslage wirklich etwas mit der Situation zu tun, in der ich gerade stecke? (Und wenn nein: Woher kommen diese Gefühle dann? Wo gehören sie wirklich hin?)
  • Durch was für eine Brille blicke ich auf die Welt? Wie ist diese – meine! – Brille beschaffen? Was würde ich ohne sie sehen? Was passiert wirklich?

Woraus entwickelt sich Kan?

Innerhalb eines Hexagramms entwickelt sich Kan entweder aus Gen oder aus Li (Ausnahme: das Hexagramm beginnt mit Kan / Kan ist unteres Trigramm). Dunkle Pfeile deuten an, dass den vorangegangenen Zeichen oben jeweils eine (durchbrochene) Yin-Linie hinzugefügt wird. Yin steht für Empfänglichkeit. Um uns auf unser Bauchwissen einzulassen, müssen wir empfänglich sein.

Kan entwickelt sich aus Gen, der Berg

Das Loslassen, das in Gen, der Berg sichtbar wurde, ermöglicht, dass wir uns wieder mit unserem seelischen Urgrund verbinden: unserer eigenen, intuitiven Lebensklugheit, unserer Essenz, die wir auf dem Weg zum Hier und Heute sammeln konnten, aus der wir heute schöpfen können.

Beispiele für Hexagramme, bei denen sich Kan aus Gen entwickelt, finden Sie → hier.

Kan entwickelt sich aus Li, das Feuer

Unsere Fähigkeit, Eindrücke, Tatbestände, Gefühle etc. intellektuell zu differenzieren (Li, das Feuer), schafft in uns Klarheit und erzeugt ein Gefühl der Ruhe. Aus dieser Ruhe heraus fällt es uns leichter, uns vertrauensvoll jenen Quellen zu öffnen, die aus unserem seelischen Urgrund (Kan) zu uns dringen: Bauchgefühle, Vorahnungen, Intuition.

Beispiele für Hexagramme, bei denen sich Kan aus Li entwickelt, finden Sie → hier.

Wohin entwickelt sich Kan?

Innerhalb eines Trigramms entwickelt sich Kan entweder zu Zhen oder zu Li (Ausnahme: das Hexagramm endet mit Kan / Kan ist oberes Trigramm).

Kan entwickelt sich zu Zhen, der Donner

Zhen, der Donner entsteht, indem oben eine (durchbrochene) Yin-Linie angefügt wird (dunkler Pfeil; Yin symbolisiert Empfänglichkeit). Wenn wir auf unser eigenes Bauchgefühl vertrauen, für die Impulse empfänglich sind, die aus diesem Urgrund zu uns dringen, entsteht der Urkeim einer neuen Handlung, der erste Schritt in eine neue Richtung.

Beispiele für Hexagramme, bei denen sich Kan zu Zhen entwickelt, finden Sie → hier.

Kan entwickelt sich zu Li, das Feuer

Li, das Feuer entsteht, indem oben eine (durchgezogene) Yang-Linie angefügt wird (roter Pfeil; Yang symbolisiert Tatkraft, Aktivität). Oft scheinen Kopf (Li) und Bauch (Kan) in unterschiedliche Richtungen zu streben. Prüft man genauer, offenbart sich gerade hier die innere Logik des eigenen Seins: Widerstrebendes vereinigt sich zu persönlicher Stärke.

Beispiele für Hexagramme, bei denen sich Kan zu Li entwickelt, finden Sie → hier.

Referenz

Wandlungsphase (Element): Wasser
Funktionskreis: Niere

Moderne Deutung

Urvertrauen; Intuition; anzestrale Energie

Traditionelle Deutung

Abgründig, gefährlich, unkontrollierbaren Kräften ausgesetzt sein
Richtung: nach unten
Interpretation: Gefahr von außen, die überlegt angegangen werden muss; abgründige Tiefen, nach deren Überwindung neue Kräfte zur Verfügung stehen werden.

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