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sich wandelnde Linien

Je nach Orakelmethode (Schafgarbenorakel, Münzorakel oder elektronisches Orakel wie wir es auf no2DO verwenden) ergeben sich unterschiedliche Zahlenwerte für die einzelnen „Würfe“:

  • no2DO-Orakel (elektronisch): 7 oder 8
  • Münz- oder Schafgarbenorakel: 6 oder 7 oder 8 oder 9

Die Zahlen 6 und 9 gelten als sich wandelnde Linien, d. h. sie wandeln sich in ihr jeweiliges Gegenteil: aus 6 (Yin) wird 7 (Yang), aus 9 (Yang) wird 8 (Yin). Dadurch verwandelt sich das ursprüngliche Hexagramm in ein anderes der insgesamt 64 Hexagramme. (nähere Erläuterungen und ein Beispiel gibt es hier).

Ich bekomme immer wieder Anfragen, ob bzw. warum ich in no2DO die sich wandelnden Linien nicht berücksichtige. Mein Standpunkt hierzu ist folgender: Meiner Meinung nach geht es bei der Arbeit mit dem I Ging zunächst einmal darum, das (ursprüngliche) Hexagramm gründlich zu verstehen. Das nimmt Zeit und Mühe in Anspruch. Ich finde diesen Schritt jedoch essentiell und habe die Interpretationsseiten der einzelnen Hexagramme daher Zug um Zug erweitert und den Fragenden Mittel zur Deutung an die Hand gegeben.

Ohne Hilfsmittel bzw. wenn man diesen Aufwand scheut, ist es verlockend, sich schnell den wandelnden Linien zuzuwenden. Beispielsweise im Fall, wenn man ausschließlich mit den Originaltexten arbeitet. Sind wir ehrlich: „Fördernd ist Beharrlichkeit!“ sagt im Grunde nicht viel aus. Man sucht also in den sich wandelnden Linien nach mehr „Fleisch“. Leider sind diese Texte meinst ebenso kryptisch und bringen nur in wenigen Fällen Erleuchtung. Eine Erklärung hierfür könnte sein, dass diese Originaltexte z. B. politische Botschaften aus der Entstehungszeit der Texte enthalten, ein Phänomen, das Dominique Hertzer in ihrem Buch „Das Mawangdui-Yijing“ untersucht.

Wenn man die sich wandelnden Linien dennoch berücksichtigen möchten, hätte ich folgenden Tipp: Durch die sich wandelnden Linien ergibt sich ein weiteres, zweites Hexagramm. Sobald man mit dem ersten Hexagramm umfassend gearbeitet hat, könnte man sich nun mit der gleichen Sorgfalt dem zweiten Hexagramm zuwenden.

Signifikantenkette

Die Signifikantenkette bezeichnet in der Theorie Lacans die Abfolge von sprachlichen Zeichen (Signifikanten), in der Bedeutung nicht festliegt, sondern sich im fortlaufenden Spiel der Unterschiede immer wieder neu konstituiert.

In der Sprache gibt es keine feste, natürliche Verbindung zwischen einem Wort (Signifikant, äußere Zeichenform) und dem, was es bezeichnet (Signifikat, Zeicheninhalt). Die Verbindung ist willkürlich – oder wie die Sprachwissenschaft sagt: unmotiviert. Das heißt: Es gibt keinen inneren Grund, warum das Wort „Baum“ gerade diesen Gegenstand bezeichnet. Diese Zuordnung ist historisch gewachsen, also das Ergebnis einer gesellschaftlichen Übereinkunft.

Entscheidend ist nun: Ein Wort erhält seine Bedeutung nicht isoliert, sondern durch seinen Platz im Satz, in der Kette der Signifikanten. Ähnlich wie in der Musik entsteht Sinn durch das, was vorher war – und durch das, was folgt. Ein Zeichen „bedeutet“ also nur, weil es in eine Kette anderer Zeichen eingebunden ist. Und diese Kette ist potentiell unendlich und ihre Bewegung verhindert jede endgültige Fixierung von Bedeutung.

Funktion bei Lacan: Lacan greift hier auf die Sprachtheorie von Ferdinand de Saussure zurück und entwickelt sie unter dem Einfluss von Lévi-Strauss und später Derrida weiter. Für Lacan ist das Unbewusste wie eine Sprache strukturiert und diese Sprache funktioniert eben über die Kette der Signifikanten.

Das Subjekt ist nicht der Ursprung seiner Gedanken, sondern konstituiert sich im Sprechen selbst durch die Bewegung der Signifikanten, durch das, was gesagt wird, und durch das, was zwischen den Worten mitschwingt oder sich verschiebt.
Lacan schreibt:

„Un signifiant ne signifie que pour un autre signifiant.“
(„Ein Signifikant bedeutet nur für einen anderen Signifikanten.“

Das Zitat stammt aus „La signification du phallus“ (Écrits, 1966) und ist ein zentraler Ausdruck seiner strukturalistischen Sprachauffassung, die er in enger Anlehnung an Saussure und Jakobson entwickelt und psychoanalytisch weitergedacht hat. Der Satz bedeutet: Ein einzelner Signifikant (ein einzelnes sprachliches Zeichen) hat keine feste Bedeutung für sich, sondern verweist immer auf andere Signifikanten – Bedeutung entsteht nur im Verhältnis, in der Kette, im Spiel der Differenz. Eine Dynamik, die nicht nur die Sprache durchzieht, sondern auch das Begehren, die Symptome, die Träume – kurz: das Unbewusste selbst.