Das Begehren ist in der Psychoanalyse von Jacques Lacan keine Reaktion auf ein konkretes Bedürfnis und kein bewusster Wunsch – sondern eine unstillbare Bewegung, die aus einem strukturellen Mangel entsteht.
Begehren bildet dort, wo etwas fehlt – nicht etwas Bestimmbares, sondern eine grundlegende Leerstelle in der symbolischen Struktur, die das Subjekt umgibt. Es ist diese Leerstelle, die das Begehren antreibt und offen hält. Was genau begehrt wird, bleibt immer im Unklaren – das Begehren richtet sich nicht auf ein erreichbares Ziel, sondern bleibt grundsätzlich in Bewegung.
Funktion bei Lacan: Lacan beschreibt das Subjekt als „subjektiviert durch das Begehren des Anderen“. Das heißt, das Subjekt formiert sich in der Frage „Was will der Andere von mir?“ – eine Frage, die nie vollständig beantwortet werden kann. Genau darin liegt die Entstehung des eigenen Begehrens.
In Lacans Worten:
„Das Begehren des Menschen ist das Begehren des Anderen.“
(le désir de l’homme est le désir de l’Autre)
Das Begehren ist also keine persönliche Entscheidung, sondern eine Struktur, in die das Subjekt eingebunden ist. Es gründet im Symbolischen – also in der Sprache, den Bedeutungen, den Erwartungen der Anderen. Und es bleibt immer unvollendet: Jedes erreichte Objekt verfehlt das Ziel, das es verspricht.
Lacans ethischer Imperativ lautet: „Gib dein Begehren nicht auf!“ Damit ist gemeint, dass sich das Subjekt seinem eigenen Begehren stellen, es anerkennen, es reflektieren soll – auch wenn es unbewusst, widersprüchlich oder gesellschaftlich unerwünscht ist. Diese Konfrontation mit dem Mangel ist keine Schwäche, sondern der Ort möglicher Reifung.