57 – das sanfte

Fragestellungen

  • Ein Nutzer schreibt: „Ich kann nicht mehr, die Situation laugt mich aus, aber dagegen kämpfen macht mich noch müder und erschöpfter.“ Seine Frage an das I Ging: „Ist der Satz, die Haltung Ich bin einverstanden, jetzt sinnvoll?“ Die Antwort des I Ging lautet 57 – das Sanfte.
  • Ein Nutzer fragt: „Wie soll ich mit den Impulsen umgehen, wie komme ich in meine Mitte, was sind meine wirklichen Absichten?“
  • Ein Nutzer fragt: „Soll ich einen klaren Schritt wagen und für eine Stiftung arbeiten?“ Aktuell ist er bei einem ausbeuterischen und menschenverachtend gewinnorientierten Unternehmen angestellt, was er kaum mehr erträgt. Eigentlich steht sein Entschluss zu wechseln fest, jetzt hoffe er, dass alles klappt.
  • Eine Nutzerin schreibt: „Ich hatte eineinhalb Jahre lang eine intensive geheime Liebesbeziehung mit viel stop-and-go, die mein Partner aber dann überraschend beendet hat. Und jetzt, nach einer langen und bitteren Zeit, hat er sich mit einer Nachricht bei mir gemeldet, die mich eigentlich zuversichtlich stimmen sollte. Dennoch bin ich im Zweifel, ob ich darauf eingehen soll. Er hat sich mir lange Zeit verweigert und ich würde ihm schon sehr gerne einige Fragen stellen. Ich mag das Bild, das mir das I Ging zur Antwort gab: Das Sanfte. Ich würde mir einen Menschen wünschen, der mich sanft und rücksichtsvoll behandelt. Das vermisse ich.“

Fallstudie

Eine Nutzerin befragt das I Ging, ob sie sich ein neues Geschäftsfeld eröffnen soll. Konkret denkt sie an eine beratende Tätigkeit in einem Bereich, in dem sie in den letzten Jahren viele persönliche Erfahrungen gesammelt hat. Die Antwort des I Ging lautet: 57 – das Sanfte.

Hexagramm 57 - das Sanfte (collage)
Eine Collage, die aus der intuitiv-experimentellen Arbeit mit Hexagramm 57 – das Sanfte entstanden ist.

Das untere Trigramm im Hexagramms 57 – das Sanfte ist Sun, der Wind / Baum und steht für Durchsetzungskraft und Führungsstärke. Aber damit diese Kräfte wirksam werden können, ist Orientierung notwendig. Die dahinter liegende Frage lautet also: Wo stehe ich und wo stehen die anderen? Ich arbeite intuitiv-experimentell mit der Nutzerin und gebe ihr Zeit für eine kurze Meditation. Dann frage ich sie, welches Bild ihr während der Meditation erschien ist. Das Bild, das sie erhielt, war das eines kleinen Pilzes, der im Moos wächst. Das zugehörige Gefühl war: wohlige Geborgenheit. Ein Pilz, der zwischen hohen Bäumen wächst und der diese Bäume bei ihrer Kommunikation untereinander unterstützt.*

Sun entwickelt sich weiter zu Dui, der See: Berührung. Welches Gefühl löst die Vorstellung von Berührung mit der Außenwelt aus? Nach einer weiteren, kurzen Phase der Meditation ist der Nutzerin ein neues Bild erschienen: das Bild eines schwarzen Raben. Die zugehörigen Gefühle sind Angst und die Ahnung von Gefahr. Allerdings ist das Element, in dem der Raben lebt, die Luft, während der Pilz, mit dem sich die Nutzerin identifiziert, zur Erde gehört: Der Pilz, das Pilzmyzel, lebt im Erdreich. Tatsächlich hat die Nutzerin sogar eine relativ konkrete Vorstellung darüber, worin die Gefahr bei ihrer geplanten beratenden Tätigkeit bestehen könnte: Dass sie Arbeiten übernimmt, die eigentlich ihre Klienten tun müssten.

Dui entwickelt sich im Verlauf des Hexagramms weiter zu Li, das Feuer. Hier stellt sich die Frage nach Unterscheidung, nach Grenze und Abgrenzung, nach der Fähigkeit zu differenzieren zwischen dem, was zu einem selbst und jenem, was zu den anderen gehört. Die Nutzerin meditiert wieder kurz über ihr Bild mit dem kleinen Pilz zwischen hohen Bäumen und dem warnenden schwarzen Raben. Und sie kommt zu dem Schluss, dass sie keinerlei Problem damit hat, die Grenze zu sehen: Denn der Pilz ist als Organismus komplett verschieden von den Bäumen und auch komplett verschieden vom Raben.

Zuletzt wandelt sich Li zu Sun. Die zugehörige Frage lautet, ob sich die Nutzerin über ihre eigenen Zielsetzungen und über die Zielsetzungen ihrer potenziellen Klienten klar ist. Nach einer kurzen Phase der Meditation über ihr Bild antwortet die Nutzerin, dass sie genau weiß, was die Bäume wollen und brauchen: Die Bäume wollen miteinander kommunizieren – und genau das ermöglicht ihnen der Pilz. Im Gegenzug gewähren die Bäume den Pilz Schutz und Nahrung. Eine Symbiose, von der alle profitieren – solange sie wissen, wer sie sind und welche Aufgabe ihnen zufallen.

* Vgl.: Wie Bäume im Wald miteinander verbunden sind: https://www.ardmediathek.de/video/odysso-wissen-im-swr/wie-baeume-im-wald-miteinander-verbunden-sind/swr/…

Und noch ein paar (ältere) Überlegungen

Integrieren ist die älteste Tochter der Empfänglichkeit. Nachdem wir die Welt wahrgenommen und Erkenntnisse aus ihr geschöpft haben, geht es nun darum, dieses Einsichten im eigenen Wesen zu verankern.
Integrieren bildet so den Abschluss der Auseinandersetzung mit der äußeren Welt. Diese hat uns berührt, genährt und verändert. Wir sind an ihr gewachsen. Wie hat sie uns verändert? Wie verändert sie uns weiterhin?
Der klassische Name dieses Zeichens lautet „der Wind“ oder „der Baum“. Beide bewegen sich sehr langsam, sanft und zugleich unerbittlich. Der Wind dringt durch jede noch so kleine Ritze vor. Der Baum sprengt mit seinen Wurzeln den Asphalt.
Ebenso ist Integrieren ein sanfter, kontinuierlicher aber auch unerbittlicher Prozess, der alles verwandelt. Integrieren ist die Verwandlung, die aus der Raupe, satt an Erfahrungen, den Schmetterling werden lässt.

Die aktuelle Interpretation finden Sie hier: https://www.no2do.com/hexagramme/877877.htm